München 15.11.2019

Gutachten zum Münchner Kohlekraftwerk: Mehr CO2-Reduktion möglich, Bestandsgarantie bis 2028 unnötig

Das Bündnis zum erfolgreichen Münchner Bürgerentscheid „Raus aus der Steinkohle“ veröffentlicht heute ein Gutachten des Öko-Instituts zur Umsetzung des Kohleausstiegs in München. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die „CO2-optimierte Fahrweise“ des Kohlekraftwerks Nord 2 mit einem Kohleeinsatz von jährlich maximal 350.000 Tonnen, die das kürzlich von der Landeshauptstadt vorgelegte TÜV-Gutachten vorschlägt, sinnvoll im Sinne des Klimaschutzes und daher ab sofort umzusetzen sei. Allerdings sei es weder notwendig noch zielführend, dem Kohlekraftwerk eine Bestandsgarantie bis 2026 oder 2028 zu geben. Es könne bereits vorher in die Stromnetzreserve der Bundesnetzagentur gehen und dann voraussichtlich nur noch wenige Tage im Jahr zum Einsatz kommen. Um die dafür notwendige Ausfallreserve für die Fernwärmeversorgung bereitzustellen, haben die Stadtwerke noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Kosten für einen früheren Kohleausstieg werden im TÜV-Gutachten auf Basis veralteter Daten und unplausibler Annahmen deutlich überschätzt.

Das Heizkraftwerk Nord wird für die reguläre Strom- und Wärmeversorgung in München nicht benötigt. Erhalten werden muss es vorerst als Ausfallreserve für die Fernwärmeversorgung. Sobald eine klimaschonendere Ausfallreserve bereitgestellt ist, kann das Kohlekraftwerk in die Stromnetzreserve der Bundesnetzagentur gehen. Das ist aller Voraussicht nach weit vor 2028 möglich.

„Das Votum der Bundesnetzagentur steht dem Klimaschutz in München nicht entgegen“, erläutert Gutachter Christof Timpe vom Öko-Institut. „Die Darstellung, das Kohlekraftwerk müsse weiterlaufen, bis die Nord-Süd-Stromtrasse 2026 oder 2028 fertiggebaut sei, ist nicht zutreffend. Sobald die Wärmeabsicherung anderweitig gelöst ist, kann das Kohlekraftwerk bereits vorher in die Stromnetzreserve verschoben werden und liefe dann voraussichtlich nur noch an wenigen Tagen im Jahr. Das würde zu einer Reduktion der CO2-Emissionen des Kraftwerks um etwa 90 Prozent führen, damit wäre der Bürgerentscheid weitgehend umgesetzt.“

Klimafreundlichere Ausfallreserve im Fernwärmenetz kurzfristig entwickeln

Für die Bereitstellung der Ausfallreserve haben die Stadtwerke bisher nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. So verweist das Öko-Institut zum Beispiel auf die Möglichkeit, die Genehmigung des bestehenden Gasheizwerks auf dem Gelände des Kohlekraftwerks über 2022 hinaus zu verlängern sowie ein weiteres Gasheizwerk auf diesem Gelände zuzubauen. Beide Heizwerke müssten nur dann laufen, wenn das Gaskraftwerk am Standort Süd an besonders kalten Tagen unerwartet ausfallen würde.

„Der Stadtrat sollte die Stadtwerke beauftragen, so kurzfristig wie möglich einen Ersatz für das Kohlekraftwerk Nord 2 als Ausfallreserve im Fernwärmenetz zu schaffen“, so Martin Glöckner, Geschäftsführer von Green City e.V.. „Dies beinhaltet die Prüfung aller Möglichkeiten inklusive des Neubaus eines Gasheizwerks auf dem Gelände des Kohlekraftwerks am Standort Nord.“

Entgangene Gewinne deutlich überschätzt

Auch zeigt das Öko-Institut, dass die entgangenen Gewinne bei CO2-optimierter Fahrweise voraussichtlich deutlich geringer sein werden als im TÜV-Gutachten veranschlagt. Grund dafür sind unplausible Annahmen und veraltete Daten bei der Berechnung.

„Der Stadtrat sollte sich nicht von den unrealistisch hohen entgangenen künftigen Gewinnen im TÜV-Gutachten verunsichern lassen“, erklärt Franziska Buch, Energiereferentin am Umweltinstitut München. „Die CO2-optimierte Fahrweise des Kohlekraftwerks, kombiniert mit einer baldigen Verschiebung in die Netzreserve, ist die mit Abstand wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme für den Klimaschutz, die der Stadtrat umsetzen kann. Wir erwarten, dass er dies tut und damit dem Willen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung trägt.“

Fernwärmebedarf in München transparent machen

„Der Stadtrat sollte die Stadtwerke beauftragen, den Kohleeinsatz wie vom TÜV vorgeschlagen ab sofort zu verringern“, sagt Michael Schabl, Sprecher des Bündnisses „Raus aus der Steinkohle“. „So kann die Stadt ein Vielfaches an Klimawandelfolgekosten einsparen. Parallel müssen die Stadtwerke Transparenz über den Wärmebedarf schaffen und die Modernisierung des Fernwärmenetzes und den Ausbau der Geothermie beschleunigt vorantreiben. Beides leistet einen wichtigen Beitrag zum Kohleausstieg und für Münchens Wärmeversorgung der Zukunft.“

Konzept für die Wärmewende bis 2035 entwickeln

„Die Stadt braucht ein belastbares Konzept für die Wärmewende bis 2035“, ergänzt Jürgen Müller, Sprecher des Bündnisses „München muss handeln“, das von über 400 Unternehmen und Organisationen unterstützt wird. „Der Stadtrat sollte eine Potenzial- und Umsetzungsstudie beauftragen, die im Detail zeigt, wie Münchens Wärmeversorgung der Zukunft aus 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2035 bereitgestellt werden kann. Zudem sollten die Stadtwerke ab sofort damit beginnen, die Umsetzung dezentraler Lösungen auf Basis von erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen zur Bedarfsreduktion voranzutreiben.“

Hintergrund

Fragen zum Kurzgutachten beantworten als Vertreter des Bündnisses Franziska Buch (mobil erreichbar unter 0157/34724899) und Martin Glöckner (erreichbar unter 089/890668-324).

Als Sprecher des Bündnisses steht ebenfalls Michael Schabl (mobil erreichbar unter 0152/21950318) zur Verfügung.

Am 19. November berät der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft des Stadtrats über die Umsetzung des Bürgerentscheids „Raus aus der Steinkohle“. Am 25. November werden die Beratungen in der Vollversammlung fortgesetzt. Beide Stadtratssitzungen sind öffentlich.

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